– DER ALTE BRAUCH –
Erbsensonntag in Wadrill
Jedes Jahr, am ersten Fastensonntag, wird in dem kleinen Dorf Wadrill im Saarland, ein alter Brauch zelebriert. DAS ERBSENRAD WIRD GEROLLT.
Aber zuerst mal zu Wadrill.
Wadrill ist ein kleines Dorf im nördlichen Saarland, welches zum Landkreis Merzig-Wadern gehört.
Der Name „Wadrill“ kommt von „Waderola“, dem alten Namen des Baches, welcher heute noch durch den Ort fließt. Schriftlich wurde Wadrill etwa um 980 n.Chr. das erste mal erwähnt. Ausgrabungen im und um das Dorf herum ergaben jedoch, dass dort, wo einst die Mühle stand, eine keltische Siedlung existierte, die auf etwa 1000 v.Chr. datiert wurde.
Mündlichen Überlieferungen zufolge wird der Brauch des Erbsenradrollens seid dem 19. Jahrhundert in Wadrill begangen. Es wird jedoch vermutet, dass er schon wesentlich länger in Wadrill ausgeübt wird. Seid jeher findet dieser Brauch jährlich statt. Nur in den Kriegsjahren wurde er ausgesetzt, da besonders im zweiten Weltkrieg Wadrill mit starken Bombenangriffen zu kämpfen hatte. Wie jedoch aus manchen Quellen überliefert ist, gab es den Brauch des „Sonnenradrollens“ bereits in der vorchristlichen Zeit.
Das Erbsenrad:
Das Erbsenrad ist ein etwa 2m großes Stahlrad, welches mit Stroh umwickelt wird. Vermutlich ist der Brauch abgeleitet vom Sonnenradrollen anderer Kulturen.
Es soll dazu dienen, den Winter zu vertreiben und den Frühling zu begrüßen.
Der Name Erbsenrad leitet sich daraus ab, dass vor 1750 Kartoffeln in dieser Gegend nicht bekannt waren. Erbsen waren damals das Grundnahrungsmittel der Bevölkerung. Stroh war zu kostbar um es für diesen Brauch zu verbrennen, da es als Futter für die Nutztiere diente. Aus diesem Grund wurde das Rad vermutlich mit Erbsstroh gewickelt. Dies ist jedoch nur eine Spekulation, da dies nicht schriftlich belegt wurde. Wie es auch ist, solche Geschichten werden in einem kleinen Dorf wie Wadrill von Generation zu Generation weitergegeben.
Am Samstag vor dem ersten Fastensonntag wird das Stroh vom Natur- und Heimatverein Wadrill e.V., der diese Aufgabe seit etwa 30 Jahren übernimmt, auf der Hochwald Alm in Wadrill um einen extra hierfür hergestellten Stahlrahmen gewickelt. (Hierbei ist zu erwähnen, dass diese Alm die einzige im ganzen Westen Deutschlands ist.)
Früher wurde das Rad von der Dorfjugend gewickelt, da dies einer der wenigen Höhepunkte im Jahr war. Nach dem Wickeln wurde es von den stärksten Männern durch das Dorf gerollt, um Stärke zu demonstrieren. Heute ist dies nicht mehr möglich, da der Stahlrahmen mit Stroh etwa 250 Kilo schwer ist.
Ist das Rad fertig, wird es zusammen mit den Strohkerzen und dem Strohkreuz auf den „Perscher Kopf“ gefahren, einem kleinen Berg, von welchem es herab gerollt wird.
Am Erbsensonntag morgen fährt der Natur und Heimatverein Wadrill e.V. durch das Dorf und klingelt an jedem Haus, um nach frischen Eiern und Speck zu fragen. Diese werden zu Rührei verarbeitet, welches es nach dem Erbsenrad für einen kleinen Obulus in der Dorfhalle für die Zuschauer angeboten wird.
Einige Mitglieder des „Heidenstammtisch Trier“ besuchten dieses Jahr die Veranstaltung. Wir trafen uns am Elternhaus eines unserer Mitglieder, um von dort aus zum Perscher Kopf zu gehen. Dort angekommen konnten man sich beim Heimatverein heiße und kalte Getränke kaufen, und das noch nicht brennende Erbsenrad bewundern.
Ein großes Feuer brannte auch, an dem man sich wärmen konnte. Seit jeher zieht das Erbsenrad Menschen aus dem ganzen Umkreis an, aber auch von weiter weg, wie Luxemburg und Rheinland-Pfalz. Schließlich waren ca. 300-400 Leute auf dem Perscher Kopf. Viele Beobachter standen auch auf der Wadriller Hauptstraße, um das Geschehen aus sicherer Entfernung und mit trockenen Füßen zu genießen.
Nachdem die Sonne untergegangen war, spielte der örtliche Musikverein zur Untermalung des Ereignisses noch einige Volkslieder. Schließlich hatte der Dorfvorsteher die Ehre, die 2 Strohkerzen zu entzünden, diese entzündeten das Strohkreuz, welches wiederum das Erbsenrad entzündete. Laut des Natur- und Heimatvereins aus folgendem Grund: Während der Christianisierung der Region lebten die keltischen Stämme in Frieden zusammen mit den Christen. Damals wurden solche Feste zusammen gefeiert. Das Erbsenrad wird mit Kreuz entzündet, sodass die Kraft des Kreuzes auf das Rad übergeht.
Nach kürzester Zeit brannte das Rad lichterloh. 4 Männer der Feuerwehr brachten das Rad an 2 langen Eisenstangen ins Rollen.
Auch wenn einige von uns hofften, dass das Rad einfach rollen gelassen werden würde, war dies leider nicht der Fall, da ein 5 Zenter schweres, brennendes Strohrad doch eine gewisse Gefahr darstellt. Aus diesem Grund führen die 4 Feuerwehrleute das Rad an den Eisenstangen den Berg hinunter. Dieses Jahr wurde es sehr schnell gerollt, wodurch es uns leider nicht möglich war, dem Erbsenrad in Ruhe zu folgen. Dies hatte den Grund, wie wir später erfuhren, dass es dieses Jahr besonders fest gebunden wurde, und somit sehr schwer war.
Nach dem etwa 600 m langen Marsch den Berg hinunter, sollte das immernoch brennende Rad in die Wadrillbach gerollt werden, um dort zu erlöschen. Da sich jedoch im Vorjahr das ganze Gestell durch den enormen Termperaturunterschied so stark verbogen hat, dass man ein neues herstellen musste, wurde es kurz vor der Bach abgelegt und nach einem kleinen Schlenker dort ausbrennen gelassen.
Nach dieser Zeremonie sprangen einige von uns noch über den brennenden Streifen, den das Erbsenrad auf der Wiese hinterließ, einem Brauch für Fruchtbarkeit. Schnell löste sich die Menschenmasse auch schon auf, um in die Wadrilltalhalle zum Eieressen zu gehen.
Auch wir entschlossen uns dazu, dieses Angebot zu nutzen. In der Halle angekommen, wurden wir zu Tisch gebeten. Wir suchten uns einen schönen Platz in der doch recht vollen Halle. Eine sehr nette ältere Dame kam auch direkt an unseren Tisch ; „Unn Ihr, wolld ihr eua Eija midd oda ohne Speck? Alle midd? Ei gudd“. Noch keine 5 Minuten später kamen 7 Teller, voll mit Rührei, Speck und jeweils 3 Scheiben Brot. Ein wirklich großer Teller, sehr günstig für 2€. Nachdem wir alle gegessen haben, wobei die meisten ihren Teller gar nicht geschafft haben, machten wir uns zufrieden, satt und um eine wunderschöne Erfahrung reicher auf den Heimweg.
Alle haben vor wieder zu kommen wenn es heißt: „Es ist Erbsensonntag, das Erbsenrad wird gerollt.“
Text: Marius
Bilder: Andreas, Sabine